bdvb Wirtschaftkongress

Am 27.Juni 2017 fand in Düsseldorf der 2. bdvb-Wirtschaftskongress statt. Ca. 100 Teilnehmer verfolgten die hochinteressanten Beiträge und Diskussionen mit erstklassigen Referenten. bdvb Präsident Peter Herrmann eröffnete und schloss die von der Wirtschaftswoche unterstützte Veranstaltung . Auch dieses Mal beschäftigte sich der Kongress mit den Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung. Dabei stand bei vielen Beiträgen der Faktor Mensch im Vordergrund der Betrachtung. Hier ein Auszug aus den einleitenden Statements von Peter Herrmann:bdvb-Wirtschaftskongress 2017

„…Aber uns geht es heute nicht darum, eine passive Betrachtung der Auswirkungen der Digitalisierung auf den Menschen zu machen. Es ist mittlerweile für nahezu jedermann klar, dass wir die Digitalisierung aktiv gestalten müssen, wenn wir als Wirtschaftsstandort nicht in die Bedeutungslosigkeit abgleiten wollen. Technologien geben uns völlig neue Möglichkeiten aber es ist der Faktor Mensch, der darüber entscheidet, ob wir die Technologien erfolgreich umsetzen werden. Das Bundeswirtschaftsministerium erstellte den Monitoring Report Wirtschaft Digital, der den Stand der Digitalisierung in den verschiedenen Wirtschaftszweigen beschreibt. Die rote Laterne hat das Gesundheitswesen. Das hat mich natürlich besonders interessiert. Mit fast 13 % vom Bruttoinlandsprodukt ist es auch der größte Wirtschaftszweig. Wenn Innovationen hier nicht Platz greifen, dann wirkt sich das nicht nur auf das Wohl von Patienten aus, sondern auch auf die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft. Umso erschreckender ist es, wenn die Studie zu dem Ergebnis kommt, das im Gesundheitsbereich 57% der Verantwortlichen der Auffassung sind, dass die Digitalisierung keinen wesentlichen Beitrag zum Erfolg ihrer jeweiligen Organisationen leisten wird.Da sind wir in anderen Wirtschaftsbereichen glücklicherweise weiter.

Die Dynamik digitaler Innovationen entfaltet sich in nicht regulierten Systemen  zweifelsohne besser, als in unserem „Bismarckschen Gesundheitswesen“. Jedoch zeigt das Beispiel, wie veränderungsresistent Menschen sind. So ist es dann sicher noch mal eine besondere Herausforderung, die Menschen davon zu überzeugen, dass sie mit Nachdruck an der Änderung von Geschäftsmodellen arbeiten sollen, wenn diese Geschäftsmodelle doch so erfolgreich sind, wie die Exportüberschüsse unserer von Rekord zu Rekord eilenden Wirtschaft ja beweisen. Sicher haben die meisten Vorstände und Geschäftsführungen mittlerweile ein Einsehen in die Notwendigkeit der digitalen Transformation ihrer Unternehmen. Zahlreiche Projekte belegen das. Aber die Einführung neuen Technologien und Software ist bei weitem nicht der Garant für erfolgreiche Digitalisierungsprojekte. Die digitale Transformation ist immer ein Veränderungsprojekt. Und solche Projekte kann man nicht „Top-Down“ verordnen. Mitarbeiter müssen den Sinn und den Nutzen verstehen und auch ihre Rolle in sich verändernden Arbeitsprozessen. Es ist nur allzu natürlich, wenn man angesichts des möglichen Bedrohungspotentials Angst hat. Nur durch intensive Kommunikation und Einbindung der Menschen in den Unternehmen, können die Projekte gelingen…“

passion4health

Juni 2017

 

passion4health auf dem Hauptstadtkongress 2017

Personalkosten = gute Kosten, Sachkosten = schlechte Kosten: Behindert Politik die moderne Medizin?

Unter diesem Titel diskutierte Peter Herrmann mit anderen hochkarätigen Experten aus der Gesundheitswirtschaft auf dem diesjährigen Hauptstadtkongress im Berliner CityCube. Hier seine einleitenden Statements:

Um auf die Fragestellung, ob Politik die moderne Medizin behindert eingehen zu können, muss man sicher fragen, was unter moderner Medizin zu verstehen ist. Hierbei möchte ich den Aspekt der Digitalisierung beleuchten, der zweifelsohne als Indikator für die Modernität stehen kann.

Der Monitoring-Report Wirtschaft DIGITAL 2016 des BMWI kommt in seiner Analyse zu dem Ergebnis, dass die Gesundheitswirtschaft in Deutschland hinten allen anderen Wirtschaftsbereichen zurückliegt. Aufgrund der hohen Bedeutung der Gesundheitswirtschaft für die Gesellschaft, die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes und dem Anteil am Bruttoinlandsprodukt ist dieses Ergebnis besonders alarmierend.

Bundesgesundheitsminister Gröhe hat die digitale Vernetzung als einen Motor für den medizinischen Fortschritt bezeichnet. Und die Verabschiedung E-Health Gesetz fördert Digitalisierungsdiskussion. Aber 57% der Verantwortlichen sind lt. der oa. Studie der Auffassung, dass die Digitalisierung nur einen geringen Einfluss auf den Erfolg von Gesundheitsdienstleitern hat. Die Möglichkeiten zur Verbesserung von Gesundheit und zur Senkung von Kosten durch bessere Nutzung von Daten und digitalen Technologien sind gigantisch. Warum wird das ganz offensichtlich von vielen nicht so gesehen oder angepackt? Die Dynamik digitaler Innovationen und Geschäftsmodelle kann sich in vollem Umfang nur in nicht regulierten Märkten entfalten. Aber auch in regulierten Märkten lassen sich gute Voraussetzungen für die Einführung digitaler Prozesse und Lösungen schaffen, wie die Nordics zeigen. Deutschland hat jedoch im Vergleich dazu eine deutlich schlechtere Ausgangsituation, da die komplexen Strukturen des deutschen Gesundheitssystems die Einführung neuer Verfahren und Arbeitsweisen (das steckt hinter der Digitalisierung) erschweren. Nach meiner Erfahrung erwarten die Verantwortlichen in den Gesundheitseinrichtungen mittelfristig keine signifikanten Impulse und Veränderungen der Rahmenbedingungen seitens der Politik.

Was bedeutet Digitalisierung?

  • Daten in der Cloud
  • Vernetzung
  • Patientenzentrierung
  • Managen von Daten ist Kernkompetenz
  • Hohe Veränderungsbereitschaft

Wie wirkt die Digitalisierung?

  • Prozesse werden beschleunigt
  • Große Datenmengen können verarbeitet werden (Personalisierung)
  • Wissen wird überall zur Verfügung gestellt. Die Rolle des Arztes ändert sich.
  • Sensorik lässt völlig neue Anwendungsfelder zu
  • Neue Geschäftsmodelle und Versorgungsmodelle werden möglich

Welche Hemmnisse gibt es bei der Einführung?

  • Datensicherheit, Datenschutz
  • Investitionsfähigkeit der Gesundheitseinrichtungen
  • Infrastruktur
  • Veränderungsbereitschaft
  • Strukturelle Hürden (Sektoren, Vergütungen etc)

„Es sind weder die Stärksten einer Art, die überleben, noch die intelligentesten. Es sind vielmehr diejenigen, die sich einem Wandel am besten anpassen können.“

Die Fähigkeit zunehmend große (Patienten-)Datenmengen zu gewinnen und zu verarbeiten und die effiziente Vernetzung aller Akteure zu gewährleisten zeichnen den erfolgreichen Gesundheitsdienstleister der Zukunft aus.

Neue Software-Plattformen, die Zugang zum kostbaren Rohstoff „Daten“ haben, dominieren Märkte. Die heutigen Systeme sind dafür überwiegend nicht geeignet. Dennoch ist Technologie nicht der limitierende Faktor. Denn digitale Transformation kann Unternehmen nur gelingen, wenn sie den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Die Einrichtungen müssen verstehen, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf Patienten und Partner hat, um entsprechende Angebote entwickeln zu können. Digitalisierungsprojekte sind aber in allererster Linie Veränderungsprojekte. Sie haben nur dann eine Chance auf nachhaltiges Gelingen, wenn die Mitarbeiter und sonstigen Beteiligten in einem Transformationsprozess die Auswirkungen auf ihr Unternehmen und ihre Rolle verstehen und mittragen.

Politik kann und muss helfen Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Geschwindigkeit, mit der unser Gesundheitssystem digitale Lösungen adaptiert, drastisch erhöht. Das BMWI hat vor kurzem dazu ein Eckpunktepapier herausgegeben:

Eckpunktepapier des BMWI

  1. Unterstützung von digitalen, ganzheitlichen Lösungen
  2. Verbesserung des Weges in die Regelversorgung
  3. Unterstützung beim Zugang zu Risikokapital
  4. Schaffung von Experimentierräumen
  5. Förderung der digitalen Infrastruktur von Krankenhäusern
  6. Bessere Nutzung von Gesundheitsdaten
  7. Einheitlicher Datenschutz
  8. Erleichterungen für telemedizinische Anwendungen
  9. Einheitliche Standards für Anwendungen der Telematikinfrastruktur

Das sind hilfreiche und lobenswerte Ansätze. Ob damit die Veränderungsblockade exponierter Interessenvertreter der Selbstverwaltung überwunden werden kann, bleibt abzuwarten.

In ihrem „Global Digital IQ Survey 2017″ mit dem der digitale Intelligenzquotient von Organisationen weltweit gemessen wird kommt PWC zu der Erkenntnis: Ob es um Kunden, Mitarbeiter oder Partner geht: Unternehmen hätten verstanden, dass der Faktor Mensch nicht weniger wichtig ist als die Technologie. Wie PwC beobachtet, ernennen immer mehr Firmen einen Chief Experience Officer, der sicherstellen soll, dass technologische, prozessuale und organisatorische Veränderungen verstanden und umgesetzt werden. Die Analysten raten sogar, sich ab jetzt auf die menschliche Seite des Changes zu konzentrieren. Gefragt nach den größten Hindernissen erhalten die Analysten die Antwort, dass die Schwierigkeiten in fehlenden Skills und der mangelnden Integration neuer mit bestehenden Technologien liegen.

Das lässt sich zweifelsohne auch auf das deutsche Gesundheitswesen übertragen. Und hier Ball bei den Verantwortlichen für die Gesundheitsorganisationen, um insbesondere auch kurzfristig Fortschritte zu machen und Nutzen aus der Digitalisierung ziehen zu können und damit die Medizin moderner zu machen.

passion4health

Juni 2017